Archiv zur Rückstandsanalytik


Anmerkungen zur Radioaktivität in Futter- und Lebensmitteln

Die Überwachung der Radioaktivität ist Gegenstand des Strahlenschutzvorsorgegesetzes (StrVG) und wird durch den Bund und die Länder wahrgenommen. Zu diesem Zweck unterhält das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ein sogenanntes integriertes Mess- und Informationssystem (IMIS). Im Rahmen dieses Programms werden kontinuierlich neben Luft- und Umweltproben auch Lebens- und Futtermittel auf Radioaktivität geprüft. Die Analysen werden in Mecklenburg-Vorpommern im Landesamt für Umweltschutz, Naturschutz und Geologie (LUNG) durchgeführt.

Auf die Situation der Radioaktivität in Japan hat die Europäische Union mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 297/2011 vom 25. März 2011 zum Erlass von Sondervorschriften für die Einfuhr von Lebens- und Futtermitteln, deren Ursprung oder Herkunft Japan ist, nach dem Unfall im Kernkraftwerk Fukushima reagiert. Sie legt konkrete Bedingungen für die Einfuhr von Lebens- und Futtermitteln aus Japan fest. Bei der Einfuhr werden Kontrollen an den Grenzkontrollstellen durchgeführt. Mecklenburg-Vorpommern verfügt zur Zeit über keine Einlassstellen für Erzeugnisse aus Drittländern (Nicht-EU-Staaten).

Zur aktuellen Situation der Radioaktivität sei auf die Informationen des Bundesamtes für Strahlenschutz und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit verwiesen.

Acrylamid in Lebensmitteln

Untersuchungsergebnisse, Stand 8.12.2008

In der ersten Dezemberwoche 2008 wurden 19 Proben Lebkuchen und Dominosteine aus Bäckereien des Landes auf Acrylamid untersucht. Sechzehn der Proben lagen unter dem Signalwert von 1.000 Mikrogramm pro Kilogramm. Bei den Dominosteinen lag eine Probe über dem Signalwert, bei den Lebkuchen zwei. Damit waren drei Proben über dem Signalwert. Das sind insgesamt 16 Prozent.

Des Weiteren wurden im ersten Quartal des Jahres 2008 14 Proben Pommes Frites von einheimischen Gaststätten und Imbiss-Ständen untersucht. Davon waren drei Proben über dem Signalwert von 530 Milligramm pro Kilogramm. Von den acht untersuchten Proben Kartoffelchips namhafter Hersteller lagen alle unter dem Signalwert von 1.000 Milligramm pro Kilogramm. In zehn Proben Säuglingsnahrung, Getreidekostbrei und Folgenahrung bekannter Erzeuger konnte kein Acrylamid nachgewiesen werden. Die zwei untersuchten Proben Säuglingszwieback bzw. Kekse lagen unter dem Signalwert von 197 Milligramm pro Kilogramm. Von den 18 Proben Röstkaffee, die zur Hälfte aus Kleinröstereien des Landes stammen, wurde nur bei einer der Signalwert von 277 Milligramm pro Kilogramm geringfügig überschritten. Die neun Proben aus Mecklenburg-Vorpommern wiesen alle deutlich geringe Acrylamidgehalte auf.
Seit 2004 werden im LALLF jährlich verschiedene Lebensmittel - insgesamt bisher ca. 500 Proben - auf ihren Gehalt an Acrylamid untersucht.

Hintergrund

Acrylamid ist eine Substanz, die in der chemischen Industrie seit langem als Baustein für Kunststoffverpackungen sowie in der Wasseraufbereitung eingesetzt wird. Dass der bedenkliche Stoff auch natürlicherweise in erhitzten Lebensmitteln entsteht, wurde erst im Frühjahr 2002 von der schwedischen Lebensmittelbehörde bekannt gegeben. Mit Hilfe neuer Analysemethoden konnten zum Teil größere Mengen von Acrylamid in stärkehaltigen Lebensmitteln nachgewiesen werden. Frittierte, gebackenen, geröstete und gebratene Kartoffel- und Getreideprodukte sind besonders stark damit belastet. Es ist bekannt, dass Acrylamid im Tierversuch krebserregend und erbgutverändernd wirkt. Auch für den Menschen wird ähnliches vermutet.

Ursachen

Acrylamid entsteht sowohl im Haushalt als auch bei der industriellen Herstellung. Es wird bei der Erhitzung stärkehaltiger Lebensmittel gebildet. Dazu gehören nicht nur Backwaren, die aus Mehl hergestellt werden: alle pflanzlichen Lebensmitteln enthalten zumindest in gewissen Mengen Stärke oder andere Kohlenhydrate. Weiter beteiligt ist der Eiweißbaustein Asparagin: diese Aminosäure kommt praktisch in allen organischen Stoffen vor. Gefördert wird die Acrylamidbildung durch Zucker wie zum Beispiel Fructose und Glucose.

Auslöser ist die Zubereitung von Speisen unter hohen Temperaturen beim Backen, Braten oder Frittieren. Bei Kaffee kommt die Acrylamid-Bildung durch den Röstvorgang in Gang. Gekochte oder gedünstete Lebensmittel enthalten in der Regel kein Acrylamid ? die hier entstehenden Temperaturen sind wesentlich niedriger. Der Mensch nimmt Acrylamid allerdings nicht nur über Pommes frites, gerösteten Kaffee, knusprige Kekse oder frisch gebackenen Kuchen zu sich. Auch beim Rauchen entsteht die Chemikalie durch die Tabakverbrennung.

Untersuchungen

Seitdem das Risiko bekannt ist, arbeiten Wissenschaftler und Technologen einerseits daran, die Bildung des Acrylamids im jeweiligen Zubereitungsprozess so gering wie möglich zu halten oder ganz zu vermeiden, andererseits arbeiten Toxikologen an der umfassenden Abklärung des Gesundheitsrisikos von Acrylamid auf den Menschen. Nach bisherigen Erkenntnissen ist das Risiko von Acrylamid - gemessen an der täglichen Aufnahme und der im Tierexperiment geschätzten Wirkung - etwa 100-mal so groß wie das Gesundheitsrisiko von Aflatoxinen (Schimmelpilzgiften) oder Nitrosaminen und etwa 1000-mal so groß wie das vom kanzerogenen (krebserregend) Benzpyren, das beim Grillen entsteht.

Seit vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 2002 das Minimierungskonzept von Acrylamid in Lebensmitteln ins Leben gerufen wurde, existiert eine bundesweite Erfassung aller Messergebnisse und ein Informationssystem im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das die Überwachungsbehörden der Länder ständig über den Stand der Acrylamiduntersuchungen informiert. Durch das BVL werden jährlich Signalwerte ermittelt, auf deren Grundlage die zuständigen Behörden der Bundesländer mit Herstellern besonders hoch belasteter Produkte in einen Dialog zur Minimierung der Produkte treten. Beispielsweise beträgt dieser Signalwert bei Kartoffelchips 1.000 Mikrogramm pro Kilogramm.

Tägliche Aufnahmemengen

Die Weltgesundheitsorganisation sieht 1 Mikrogramm Acrylamid pro Kilogramm Körpergewicht noch als duldbare tägliche Aufnahmemenge für den erwachsenen Mensch an. Die schwedische Nahrungsmittelbehörde schätzt, dass ein Erwachsener (Nichtraucher) pro Tag im Durchschnitt etwa 100 Mikrogramm Acrylamid unter anderem über Lebensmittel, Kosmetik und Trinkwasser aufnimmt. Die Substanz ist auch in Zigarettenrauch enthalten. Ein zehnjähriges Kind mit einem Gewicht von 33 kg nimmt mit dem Verzehr von einer Tüte Kartoffelchips (200 g) mit einer Durchschnittsbelastung von 1.000 Mikrogramm pro Kilogramm bereits das Sechsfache der geduldeten Aufnahmemenge pro Tag auf.

Verbrauchertipps

Es ist möglich, die Acrylamidbildung durch eine Änderung von Rezepturen und Herstellungsverfahren zu reduzieren. In vielen Fällen kann bereits eine Absenkung der Höchsttemperatur beim Backen um 10 - 20  C oder der Austausch von oder Verzicht auf einzelne Zutaten die Bildung von Acrylamid verringern. So wurde ein hoher Anteil an Mandeln und vor allem das Backtriebmittel Hirschhornsalz als Hauptproblem bei Lebkuchen ausgemacht. Nach Weglassen der Mandeln und Verwendung von Natron als Triebmittel fiel der Acrylamidgehalt auf ein Zehntel des vorherigen Wertes.

Allgemein sollten pflanzliche stärkehaltige Lebensmittel nur so lange wie möglich und so niedrig wie nötig erhitzt werden. Als optimale Farbausprägung wird für Kartoffelprodukte goldgelb, für Getreideprodukte hell, nicht verbrannt empfohlen. Kartoffeln - wenn sie stark erhitzt werden sollen - dürfen nicht unter 8 °C gelagert werden, da unter 8 °C in den rohen Kartoffeln Glucose gebildet wird. Geschälte rohe Kartoffeln bilden weniger Acrylamid, wenn man sie vor dem Braten oder Frittieren mehrere Stunden wässert (über 8 °C).

Kartoffeln, die grüne Stellen aufweisen oder schon ausgekeimt haben, sollen nicht mehr verarbeitet werden. Bereitet man Bratkartoffeln aus gekochten Kartoffeln zu, dann enthalten sie weniger Acrylamid als aus rohen Kartoffeln. Verwendet man ungehärtete Margarine zum Braten in der Pfanne, dann ist die Brattemperatur niedriger und es bildet sich weniger Acrylamid.

Beim Backen sollten folgende Tipps beachtet werden: helle Mehle sind günstiger. Weizenmehl bildet weniger Acrylamid als Roggenmehl. Es sollten daher Weizenmehle der Typen 405 und 550 verwendet werden. Der Backvorgang soll bei möglichst niedriger Temperatur erfolgen und so kurz wie möglich gehalten werden. Empfohlen werden im Umluftofen 160 - 170°C, ohne Umluft 180 - 190°C. Das fertige Gebäck nicht im Ofen austrocknen lassen, dies würde die Acrylamidbildung fördern.

Auch beim Reifen von Lebkuchenteigen vor dem Ausformen und Backen können sich Vorläufersubstanzen von Acrylamid bilden. Der Teig sollte nach der Herstellung recht bald verarbeitet werden.

Einen sehr großen Einfluss auf die Acrylamidbildung hat auch das Backtriebmittel. Für Lebkuchen werden häufig Hirschhornsalz und Pottasche verwendet. Auf Hirschhornsalz (Ammoniumbicarbonat), das die Bildung von Acrylamid besonders fördert, sollte verzichtet werden und an dessen Stelle handelsübliches Backpulver oder Natron (Natriumbicarbonat) verwendet werden. Honig wird häufig beim Backen von Lebkuchen eingesetzt. Er enthält aber Fructose und Glucose, die wiederum Vorläuferstoffe für Acrylamid sind. Hier sollte man anstelle von Honig auf üblichen Haushaltszucker zurückgreifen.

Auch Diabetikergebäck wird häufig mit Fructose hergestellt. Dies aber fördert die Acrylamidbildung, deshalb sollte dafür ein Zuckeraustauschstoff zum Einsatz kommen, zum Beispiel Maltit oder Xylit. Auch Mandeln enthalten eine Vorläufersubstanz von Acrylamid, die Aminosäure Asparagin. Deshalb sollten sie nur schonend und als ganze Mandeln geröstet werden, da beim Rösten von zerkleinerten Mandeln deutlich mehr Acrylamid entsteht.

Toastbrot sollte möglichst hell getoastet werden.

Zusammenfassende Ergebnisse von Hering 2006

Poster - Untersuchungsergebnisse Hering

Rückstandsuntersuchungen in Hering (2005)

Ein umfassendes und länderübergreifendes Projekt

Federführendes Amt : LALLF Mecklenburg-Vorpommern, Rostock
Bladt, Angret; Peuckert, Werner; Hagemann, Elke
Teilnehmende Ämter : Landeslabor LVUUA Schleswig-Holstein (Neumünster), LAVES Niedersachsen (LI Oldenburg, VI Cuxhaven), HU Hamburg

Der Hering gehört zu den am häufigsten verzehrten Fischarten und stellt den größten Anteil an Rohware bei den Seefischen in der deutschen Fischindustrie dar.
Das Projekt diente der Erfassung der derzeitigen Kontaminationssituation für dieses Lebensmittel. Es wurde über 2 Jahre durchgeführt und umfasste 120 Proben Ostseehering und 80 Proben Hering aus der Nordsee und dem Nordatlantik.

Die Probenahme in der Ostsee erfolgte unmittelbar vom Fischkutter. Ostseeheringe stammten aus den Fanggebieten nördlich und östlich vor Rügen, aus dem Greifswalder Bodden sowie aus der Wismarbucht. Die Proben aus der Nordsee und dem Nordatlantik wurden aus dem Handel als Planproben bzw. in Fisch verarbeitenden Betrieben an den Seefischmärkten Bremerhaven und Cuxhaven gezogen.

Für dieses Projekt wurde ein umfangreiches Untersuchungsspektrum festgelegt. Die Heringsproben wurde auf toxische Schwermetalle, Organochlorpestizide, PCB, Organozinnverbindungen, polycyclische Moschusverbindungen, polybromierte Diphenylether und polychlorierte Dibenzodioxine und -furane (Dioxine) untersucht.

Im Folgenden finden Sie Ergebnisse der Untersuchungen:

Schwermetalle

Die Gehalte der Schwermetalle Blei, Cadmium und Quecksilber sind in allen untersuchten Heringsproben unauffällig. Die ermittelten Cadmium- und Bleigehalte sind äußerst gering und liegen im Bereich der Bestimmungsgrenze. Sie sind vergleichbar mit den Gehalten, die für Hering im Lebensmittel-Monitoring 1995 und 1996 festgestellt wurden.

Die Quecksilbergehalte sind geringer als ein Zehntel des zulässigen Höchstgehaltes von 0,50 mg/kg gemäß VO EG Nr. 466/2001. Ostseehering und Hering aus der Nordsee und dem Nordatlantik zeigen vergleichbare Gehalte (siehe Abbildung 1). Die Maximalwerte sind in Nordsee/Nordatlantikheringen geringfügig höher als in Ostseeheringen. Während der mittlere Quecksilbergehalt 1996 in Ostsee- und Nordseeheringen noch 0,049 mg/kg betrug, ist ein Absinken auf 0,035 mg/kg in Heringen für alle Fanggebiete zu verzeichnen.

Organochlorpestizide (OCP) und PCB

Bedingt durch den relativ hohen Fettgehalt des Herings wurden Rückstände von chlororganischen Verbindungen in allen 200 untersuchten Heringsproben nachgewiesen. Heringe aus dem Atlantik und der Nordsee weisen einen deutlich höheren Fettgehalt auf (2,8 bis 19,2 Prozent, Mittelwert 12,1 Prozent) als die Heringe aus der Ostsee (1,6 bis 14 Prozent, Mittelwert 6,6 Prozent).

Die am häufigsten nachgewiesenen Stoffe waren DDT und seine Metaboliten, beta-HCH, Hexachlorbenzol (HCB), Chlordan, Dieldrin sowie die PCB 28, 52, 101, 118, 138, 153 und 180. Etwas weniger häufig wurden Lindan, alpha-HCH, cis- Heptachlorepoxid, trans- Nonachlor, PCB 105 sowie die Parlare 26, 50, 62 bestimmt. Seltener waren Endrin, Endosulfan und die Nitromoschusverbindungen Moschusxylol und Moschusketon zu finden.

Auf Grund des geringeren Wasser- bzw. Schadstoffaustausches mit dem offenen Meer sind in der Ostsee höhere Gehalte an Rückständen als in Nordsee/Nordatlantik zu erwarten.
So sind die Gehalte bei DDT, Dieldrin, Chlordan, alpha-HCH, beta-HCH, Lindan sowie den PCB in Ostseeheringen höher als in Proben aus Nordsee/Nordatlantik. Dagegen sind die Gehalte an HCB und den Parlaren in den Proben aus der Nordsee und dem Atlantik höher als in den Ostseeheringen.
Zwischen den Proben aus der Nordsee und dem Nordatlantik konnten keine Unterschiede hinsichtlich der Belastung mit OCP und PCB festgestellt werden.

Trotz der relativen Häufigkeit des Nachweises der genannten Rückstände, sind die ermittelten Gehalte sehr gering. Während 1995 und 1996 noch Höchstgehaltsüberschreitungen an Chlordan von 8 Prozent bzw. 1,6 Prozent festgestellt wurden und es 1996 zu Höchstgehaltsüberschreitungen von Heptachlor (1 Prozent) kam, wurde 2003 und 2004 in keinem Fall ein Höchstgehalt überschritten. Die ermittelten Gehalte lagen deutlich unter den für die einzelnen Wirkstoffe zulässigen Höchstgehalten. 
Für alle in den Jahren 1995 und 1996 in Hering untersuchten Organochlorpestizide wurde im Projekt 2003/2004 eine Abnahme der Gehalte registriert.

Tabelle 1: Vergleich der Mittelwerte und Maximalgehalte der am häufigsten nachgewiesenen Wirkstoffe in Hering mit den jeweiligen zulässigen Höchstgehalten (HM)
Wirkstoff Häufigkeit des Nachweises in den Proben (%) Maximalgehalt in mg/kg FS (%) Maximalgehalt Ausschöpfen der HB Mittelwert in mg/kg FS (%) Mittelwert Ausschöpfen der HB HM mg/kg FS
DDT, Summe 100 0,034 6,8 0,016   0,5
Dieldrin 96 0,006 30 0,0028 14 0,02
HCB 97 0,004 8 0,0013 2,6 0,05
Chlordan, Summe 96 0,004 8 0,0017 3,4 0,05
PCB 138 96 0,009 9 0,0047 4,7 0,1
PCB 153 97 0,013 13 0,0059 5,9 0,1
Parlare, Summe 93 0,019 19 0,0026 2,6 0,1
Lindan 86 0,001 2 0,0005 1 0,05
beta-HCH 94 0,003 30 0,0007 7 0,01
alpha-HCH 87 0,001 5 0,0004 2 0,02

Organozinnverbindungen

Wegen ihrer hochgradigen Toxizität gegenüber verschiedenen Organismen wie Mollusken oder bestimmten Mikroorganismen sind verschiedene Organozinnverbindungen (OZV) bis in die jüngste Vergangenheit gezielt eingesetzt worden. Im marinen Bereich sind insbesondere durch Tributylzinn infolge seiner Verwendung in Bewuchs hemmenden Schiffsanstrichen gravierende Probleme verursacht worden. Um die aktuelle Kontaminationslage durch diese Stoffgruppe insgesamt zu klären, wurden die im vorliegenden Projekt untersuchten Heringe auf 7 OZV (Mono-, Di-, Tri- und Tetrabutyl- sowie Mono-, Di- und Triphenylzinn) geprüft.

Tetrabutyl- sowie Mono- und Diphenylzinn wurden gar nicht bzw. nur in unbedeutendem Umfang angetroffen, so dass die in Abbildung 2 als Mediane zusammengefassten Ergebnisse nur die drei verbleibenden Butylzinn-Verbindungen und Triphenylzinn betreffen. Am auffälligsten sind die Gehalte an Tributylzinn in den Heringen der Ostsee mit einem Median von 32 µg/kg. Die entsprechenden Ergebnisse an Heringen aus der Nordsee und dem Nordatlantik liegen auf wesentlich niedrigerem Niveau unter 5 µg/kg. Die Gehalte an Mono- und Dibutylzinn bleiben insgesamt im Bereich unterhalb 5 µg/kg, wobei diese beiden OZV in Nordsee-/Nordatlantik-Heringen tendenziell etwas höhere Werte erreichen als in denen aus der Ostsee. Triphenylzinn wurde mit 5 µg/kg praktisch nur in Ostseeheringen angetroffen.

Die Ergebnisse lassen sich unter lebensmittelrechtlichen Aspekten nur eingeschränkt bewerten, da keine Höchstgehaltsregelungen verfügbar sind. Gemessen an aktuellen TDI-Werten der WHO von 0,25 µg/kg KG für TBT und 0,5 µg/kg KG für TPhT ist bei Annahme ?normaler? Verzehrsgewohnheiten kein gesundheitliches Risiko für den Konsumenten erkennbar.

Polycyclische Moschusverbindungen

Synthetische Moschusverbindungen werden als Ersatz für den natürlichen Moschus in großem Umfang bei der industriellen Herstellung von Kosmetika und Waschmitteln verwendet. Nach dem Verzicht auf die billigen, aber als toxisch eingestuften Nitromoschusverbindungen werden heute hauptsächlich einige substituierte Indan- und Tetralinderivate verwendet, die zu der Gruppe der polycyclischen Moschusduftstoffe zählen. Auch diese Stoffe gelangen z. B. über Haushaltsabwässer in die Umwelt und belasten möglicherweise Flüsse, Binnengewässer und küstennahe Meeresbereiche. Die fettlöslichen und chemisch sehr stabilen polycyclischen Moschusverbindungen haben sich als biologisch schwer abbaubar erwiesen. Daher ist eine Anreicherung dieser Stoffe in aquatischen Ökosystemen zu erwarten und bei Fischen aus belasteten Gewässern ist mit einer Kontamination zu rechnen.

Die Fischproben im Rahmen des Heringsprojekts wurden auf sechs verschiedene Duftstoffe aus der Gruppe der polycyclischen Moschusverbindungen untersucht. Die beiden Substanzen HHCB (Galaxolide®) und AHTN (Tonalide®) wurden in 98,7 Prozent  bzw. 77,3 Prozent der Proben nachgewiesen. Die übrigen vier Duftstoffe DPMI (Cashmeran®), ADBI (Celestolide®), AHDI (Phantolide®) und ATII (Traseolide®) wurden nicht gefunden. Für HHCB und AHTN sind die Ergebnisse in Tabelle 2 zusammengefasst.

Die ermittelten Gehalte der Heringe aus der Ostsee sind verglichen mit den Fischproben aus der Nordsee und dem Nordatlantik auffällig höher. Für HHCB findet man in Ostseeheringen bezogen auf den Fettgehalt im Mittel Konzentrationen von 0,027 mg/kg, in Nordsee- und Atlantikheringen dagegen nur 0,008 mg/kg. Sehr deutlich wird der Herkunftsunterschied auch in der Verteilung der HHCB-Messwerte (Abb. P09-3). In niedrigeren Konzentrationen wurde in vielen Heringen auch AHTN nachgewiesen. Der Herkunftsunterschied wird bei dieser Kontaminante ebenfalls sichtbar.

Während die früher in großen Mengen als Duftstoffe verwendeten Nitromoschusverbindungen nur noch vereinzelt in den untersuchten Proben gefunden wurden, weist die durchgängige Kontamination der Heringe mit polycyclischen Moschusverbindungen auf die nunmehr breite industrielle Verwendung dieser Duftstoffgruppe hin. Eine Höchstgehaltsregelung für eine lebensmittelrechtliche Beurteilung steht noch aus.

Tabelle 2: NG (Nachweisgrenze 0,001 mg/kg), BG (Bestimmungsgrenze 0,002 mg/kg)
Kennzahl HHCB Gesamt HHCB Herkunft Ostsee HHCB Herkunft Nordsee / Nordatlantik AHTN Gesamt AHTN Herkunft Ostsee AHTN Herkunft Nordsee / Nordatlantik
Min < BG 0,003 < BG < NG < NG < NG
Max 0,07 0,07 0,051 0,015 0,015 0,011
Mittelwert 0,022 0,027 0,008 0,005 0,006 0,003
Median 0,02 0,025 0,003 0,005 0,006 0,002
90. Perzentil 0,044 0,046 0,025 0,01 0,011 0,007

Polybromierte Diphenylether

Der weltweite Einsatz von bromhaltigen Flammschutzmitteln in elektrischen und elektronischen Anlagen, Kunststoffen und Textilien hat dazu geführt, dass neben den typischen Kontaminanten, den chlororganischen Verbindungen wie HCB, DDT und PCB vermehrt auch bromierte Kohlenwasserstoffe in Umweltproben nachzuweisen sind. Eine wichtige Stoffgruppe sind hierbei die polybromierten Diphenylether (PBDE), von denen theoretisch 209 Kongenere existieren. PBDE sind wie andere Halogenkohlenwasserstoffe gut fettlöslich und chemisch stabil. Sie werden daher ebenfalls im Fett von Fischen angereichert, und stellen somit eine weitere Gruppe persistenter Industriechemikalien dar. In Europa ist die Herstellung und Verwendung der PBDE vor einigen Jahren eingestellt worden. Weltweit ist der Bedarf jedoch weiterhin steigend.

Die Heringsproben wurden auf 7 verschiedene bromierte Diphenyletherkongenere untersucht (BDE 47, BDE 99, BDE 100, BDE 153, BDE 154, BDE 183 und BDE 209). Die 2,2?,4,4?-Tetrabromverbindung (BDE 47) wurde in 87,5 Prozent aller Proben gefunden. Im Mittel lag der Gehalt des BDE 47 im Fett der Fische bei 0,020 mg/kg. Von den anderen Kongeneren wurde BDE 99 in 3,1 Prozent und BDE 100 in 15,6 Prozent der Proben nachgewiesen. Die gefundenen Gehalte lagen jeweils an der Bestimmungsgrenze bei 0,01 mg/kg Fett. Eine Übersicht der erhaltenen Ergebnisse zeigt Tabelle 3. Die Kongeneren BDE 153, 154, 183 und 209 wurden in keiner Probe nachgewiesen.

Ostseeheringe weisen geringfügig höhere Gehalte als Heringe aus der Nordsee und dem Nordatlantik auf. Bei den mittleren BDE 47-Gehalten von 0,021 mg/kg Fett für Ostseeheringe gegenüber 0,016 mg/kg Fett bei Heringen aus Nordsee und Nordatlantik ist dieser Unterschied allerdings nur andeutungsweise vorhanden. Etwas deutlicher wird die nach Herkunft unterschiedliche Belastung durch die Werteverteilung (Abb.4).

Insgesamt lassen sich die ermittelten PBDE-Gehalte als gering einstufen, auch wenn sie wegen fehlender Höchstgehalte lebensmittelrechtlich nicht bewertet werden können.

Tabelle 3: Kennzahlen zu BDE 47, BDE 99 und BDE 100 in Hering | NG (Nachweisgrenze 0,005 mg/kg), BG (Bestimmungsgrenze 0,01 mg/kg)
  BDE 47 Gesamt BDE 47 Herkunft Ostsee BDE 47 Herkunft Nordsee / Nordatlantik BDE 99 Gesamt BDE 100 Gesamt
Min < NG < NG < BG < NG < NG
Max 0,06 0,05 0,06 0,01 0,02
Mittelwert 0,02 0,021 0,016 < NG < BG
Median 0,02 0,02 0,01 < NG < BG
90-Perzentil 0,03 0,031 0,03 < BG 0,01

Polychlorierte Dibenzodioxine und -furane (Dioxine)

Bei den polychlorierten Dibenzodioxinen und Dibenzofuranen (PCDD/F), im weiteren Text Dioxine genannt, handelt es sich um eine Gruppe von tricyclischen aromatischen Ethern. Je nach Chlorierungsgrad und Stellung der Chloratome sind 75 Dioxin- (PCDD-Kongenere) und 135 Furan-Strukturen (PCDF-Kongenere) möglich.

Die Dioxine werden überwiegend über die Nahrungskette vom tierischen und menschlichen Organismus aufgenommen. Aufgrund ihrer guten Fettlöslichkeit, der langsamen Ausscheidung sowie der geringen Abbaubarkeit werden sie im Fettgewebe angereichert, wobei die Gruppe der 2,3,7,8-substituierten PCDD/F-Verbindungen durch ihre hohe Toxizität und Persistenz besonders bedeutsam ist. Die Dioxingehalte in Lebensmitteln stehen zunehmend im öffentlichen Interesse, mit Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 2375/2001 liegen zulässige Höchstgehalte für Dioxine vor.

Insgesamt wurden 65 Heringsproben aus der Ostsee und 40 Heringsproben aus der Nordsee und dem Nordatlantik analysiert. Bei jeder Probe wurden die siebzehn 2,3,7,8-substituierten PCDD/F-Verbindungen bestimmt. Zur vergleichenden Quantifizierung des toxischen Potentials der praktisch nur in Mischungen vorkommenden Dioxine wurde aus den Einzelergebnissen der WHO-TEQ-Wert berechnet.

Obwohl der Fettgehalt und das Alter der Heringe einen großen Einfluss auf die Dioxingehalte haben kann, war bei den Proben keine Korrelation zu erkennen.
Für die Auswertung der Dioxinergebnisse wurde eine detaillierte fangortbezogene Darstellung gewählt; neben dem Medianwert ist in Abbildung 5 auch die Schwankungsbreite der Einzelwerte ersichtlich.

Es wurde bei keiner Heringsprobe eine Überschreitung des Auslösewertes oder des Höchstgehaltes festgestellt. Die am geringsten belasteten Proben stammten aus dem Nordatlantik. Die Dioxingehalte der Heringe aus der Ostsee waren höher als die der Heringe aus den anderen Fanggebieten. Das war zu erwarten, da bekannt ist, dass Fischarten aus dem Ostseegebiet höhere Gehalte an Dioxinen aufweisen können.

Die höchstbelastete Ostsee-Heringsprobe (PCDD/F-Gehalt: 2,31 pg WHO-TEQ/g Frischgewicht) aus der Wismarer Bucht schöpft die zulässige Höchstmenge von 4,0 pg WHO-TEQ/g Frischgewicht nur zu 58 Prozent aus. Die Belastungssituation der Dioxine in Heringen aus der Nordsee/Nordatlantik und den Küstenregionen Mecklenburg-Vorpommerns kann von daher als unbedenklich eingestuft werden.

Fazit der vorgenannten Untersuchungen zum Hering

Mit dem Projekt "Rückstandsuntersuchung von Hering" erfolgte eine umfassende Dokumentation der aktuellen Rückstandssituation sowohl für die klassischen Untersuchungsparameter als auch für Rückstände aktueller Umweltbelastungen durch Dioxine, Organozinnverbindungen, polycyclische Moschusverbindungen und polybromierte Diphenyle für die unterschiedlichen Fanggebiete.

Für die klassischen Parameter Schwermetalle, Organochlorpestizide und PCB konnte weiterhin ein Vergleich zu Daten, die im Lebensmittelmonitoring 1995 und 1996 erhoben wurden, angestellt werden. Für die meisten Untersuchungsparameter wurden in den Ostseeheringen etwas höhere Gehalte als in den Heringen aus der Nordsee und dem Nordatlantik festgestellt.

Insgesamt kann eingeschätzt werden, dass die Belastung von Heringen mit Rückständen  gering ist und für alle 1995 und 1996 in Hering untersuchten Organochlorpestizide und für Quecksilber im Projekt 2003/2004 ein Absinken der Gehalte festgestellt wurde.